FDP: Christian Lindner setzt nun auf Volker Wissing

FDP: Christian Lindner setzt nun auf Volker Wissing

Als Christian Lindner in der FDP-Zentrale auf das Podium geht, ist seine Generalsekretärin nicht mehr dabei. Linda Teuteberg ist zwar formal noch bis Mitte September im Amt, aber in diesem Augenblick ist sie längst Geschichte.

Neben Lindner stehen zwei Männer und eine Frau, die künftig im Präsidium eine neue Rolle spielen sollen:

  • Volker Wissing, Vizeministerpräsident in Rheinland-Pfalz, soll Teuteberg als Generalsekretär ersetzen

  • Harald Christ, einst in der SPD und seit März in der FDP, soll Schatzmeister werden

  • Bettina Stark-Watzinger wird auf dem Parteitag am 19. September für einen der zwei frei werdenden Präsidiumsplätze kandidieren

Es ist ein Wagnis für Lindner: Mit einem Teilumbau an der Spitze will er die FDP wieder sichtbarer und hörbarer machen. Ein Projekt mit ungewissem Ausgang, in Umfragen dümpelt die Partei derzeit zwischen fünf und sieben Prozent. Bei der Bundestagswahl erzielte sie noch 10,7 Prozent.

Lindner und seine Generalsekretärin Teuteberg, das war offensichtlich ein Missverständnis. Die beiden harmonierten nicht, schon im Herbst vergangenen Jahres, am Rande einer Klausurtagung der FDP-Bundestagsfraktion in Thüringen, hatte der Parteichef Zweifel an ihrer Durchschlagskraft geäußert. Damals war die Juristin erst fünf Monate im Amt.

Teuteberg, die Lindner vorgeschlagen und dem NRW-Generalsekretär Johannes Vogel vorgezogen hatte, erfüllte nicht seine Erwartungen. Er fühlte sich von ihr nicht wirklich entlastet, musste selbst immer wieder die Rolle des Generalsekretärs spielen – und die Abteilung Attacke geben. Teutebergs Stil war das nicht, bereits in ihrer Antrittsrede im April 2019 war sie zurückhaltend und hatte gezeigt, dass sie nicht die Lautsprecherin sein würde.

Einst hatte Lindner erklärt, Teuteberg verbinde „Konsequenz“ mit „Empathie“. Doch die fehlende Empathie, die der FDP vorgehalten wurde, konnte auch Linders Generalin nicht ersetzen. In den Medien drang sie mit ihren Wortmeldungen kaum durch.

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Ein Treffen, das nicht geheim blieb

Die Lage spitzte sich zu. Seit fünf Wochen kursierten die Gerüchte ihrer Ablösung, intern wurde viel beraten und verhandelt, nicht alles blieb vertraulich. Am Sonntagabend hatte sich Lindner mit sechs FDP-Politikern in Berlin-Schöneberg in einem italienischen Restaurant getroffen, darunter waren die wichtigen FDP-Landeschefs aus Niedersachsen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, auch Wissing war dabei, der Parlamentarischer Geschäftsführer Marco Buschmann und Stark-Watzinger.

Als Lindner kam, wartete bereits ein Fotograf der „Bild“ vor dem Lokal, irgendjemand musste also geplaudert haben. Der FDP-Chef konterte, in dem er das „Geheimtreffen“ kurz darauf auf seinem Instagram-Kanal samt Foto aller Beteiligten veröffentlichte – als ein „Gedankenaustausch unter Freunden“, das der Niedersachsen-Chef Stefan Birkner angeregt habe. In der Runde wurde auch über Teuteberg gesprochen.  

Auf der Pressekonferenz am Montag, nachdem Lindner im Präsidium und Bundesvorstand seine Botschaft verkündet hatte, sagte er einen Satz, der das Problem der oftmals beschriebenen „One-Man-Show“ in der FDP beschreibt: Er brauche in der jetzigen Lage in der Führung „mehr Hilfe und Unterstützung“. Im Umkehrschluss hieß das: Von Teuteberg fühlte er diese nicht in ausreichendem Maß.

Die Unterstützung soll nun Wissing leisten, ein Mann, der in Rheinland-Pfalz seit vier Jahren in einer Ampelkoalition regiert, seit 2013 gehört er dem Präsidium an, dem Jahr, in dem die Liberalen erstmals in ihrer Geschichte aus dem Bundestag flogen. Drei Jahre später sorgte Wissing mit der Regierungsbeteiligung in Rheinland-Pfalz für ein kleines FDP-Erfolgserlebnis – Balsam für die geschundene Liberalen-Seele. Als Wirtschaftsminister zeigte er, dass die Partei jenseits von Schwarz-Gelb und Jamaika mit der Ampel eine weitere Machtoption hat.

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Wissing soll nun das zentrale Thema bespielen, dass Lindner in der Coronakrise für den Bundestagswahlkampf ausgemacht hat: die Wirtschaftspolitik. Der designierte Generalsekretär hat sich einiges vorgenommen, er wolle ein „starkes Ergebnis“ 2021 erzielen, um „Regierungsverantwortung zu übernehmen“.

Ob seine Nominierung auch ein Signal für eine Ampel im Bund sei? Das sei „zu weitreichend spekuliert“, sagte Lindner. Und dann variierte der FDP-Chef einen Satz, den er einst bei seinem Abbruch der Jamaika-Gespräche im Herbst 2017 gebrauchte („Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren“): Wenn es die „Bereitschaft zur fairen Zusammenarbeit“ gebe und die FDP auch „eigene Anliegen“ einbringen könne, sei man bereit zur Übernahme von Verantwortung. „Dann“, sagte Lindner, „ist es besser zu regieren, als nicht zu regieren“.

Teutebergs Zukunft unklar

Was wird nun aus Teuteberg? Im Bundesvorstand, so erzählen es Teilnehmer der Sitzung, habe sie erklärt, sie wolle keine „Hängepartie“ und den Weg freimachen für eine Neubesetzung. Am Ende hat sie sich Lindners Willen gebeugt, als Parteichef hat er das alleinige Vorschlagsrecht für den Posten. Nachdem erste Berichte über ihre Ablösung kursiert waren, hatte Teuteberg zunächst gepokert. Vor der Sommerpause hatte ihr Lindner nach SPIEGEL-Informationen das Angebot unterbreitet, sie für einen frei werdenden Beisitzerposten im Präsidium vorzuschlagen und die Stelle als Ostbeauftragte aufzuwerten. Doch sie lehnte ab.

Lindner wiederholte auch am Montag die Sätze, die er seit vier Wochen stets auf die Frage nach ihrer Zukunft parat hatte: Sie bleibe ein „starker Teil des Teams“, nannte sie auch eine „von allen sehr geschätzte Kollegin“. Was man so sagt, wenn man einen Bruch auch öffentlich vollzogen hat.

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Was Teuteberg selbst will, ist unklar. Eine Anfrage des SPIEGEL ließ sie am Montag offen. „Solche Personalentscheidungen muss man erst mal sacken lassen, auch ich“, sagte einer, der in der Vorstandssitzung dabei war. Teutebergs Auftritt sei im Übrigen „sehr professionell“ gewesen.

Mit dem Austausch seiner Generalsekretärin nach nur knapp eineinhalb Jahren korrigiert Lindner eine Fehlentscheidung – auch wenn er es selbst nicht so sehen will. „Nein, das war kein Fehler“, sagte er, gegenüber dem damaligen Zeitpunkt habe sich nur die Lage so verändert, „dass wir zu einer anderen Aufstellung kommen wollen“.

Icon: Der Spiegel

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