Thunberg und Neubauer: Merkel muss sich dem Klima-Notfall stellen

Thunberg und Neubauer: Merkel muss sich dem Klima-Notfall stellen

Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg forderte von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die Klimakrise nicht wie jede andere Krise zu behandeln, sondern den Klimanotstand auszurufen. „Wir brauchen jetzt Führungspersönlichkeiten“, sagte Thunberg am Donnerstag nach ihrem 90 Minuten langen Treffen mit Merkel im Kanzleramt. Merkel hätte die Möglichkeit, eine solche Führungspersönlichkeit zu sein. Als Physikerin, so habe sie gesagt, verstehe sie die Anliegen der Aktivisten, sehe als Politikerin aber auch die Herausforderungen.

Merkel (CDU) bezeichnete nach ihrem Treffen mit Thunberg die Bekämpfung der Erderwärmung als globale Herausforderung. Beide Seiten seien sich in diesem Zusammenhang einig gewesen, dass den Industriestaaten bei der Bewältigung dieser Aufgabe eine besondere Verantwortung zukomme, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert nach dem Treffen in Berlin mit. Basis dafür sei die konsequente Umsetzung des Pariser Klimaabkommens.

Luisa Neubauer und Greta Thunberg (r.) bei der Pressekonferenz nach dem Treffen

Luisa Neubauer und Greta Thunberg (r.) bei der Pressekonferenz nach dem Treffen

Zentrales Thema des Gesprächs von Merkel mit Thunberg sowie anderen Aktivistinnen seien die klimapolitischen Schwerpunkte in der laufenden EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands gewesen, schrieb Seibert weiter. Als Einzelpunkte nannte er die angestrebte EU-Klimaneutralität bis 2050 sowie die Konkretisierung eines verschärften Zwischenziels für die Treibhausgas-Emissionen bis 2030. Die Kanzlerin und die Vertreterinnen von Fridays for Future hätten auch über die Bedeutung der CO2-Bepreisung sowie über nationale Maßnahmen der Klimapolitik wie den Ausstieg aus der Kohleverstromung diskutiert.

Kritik aus den Reihen von Fridays For Future

In den Reihen von Fridays For Future (FFF) in Deutschland gibt es Kritik an dem Treffen mehrerer führender Vertreterinnen der Klimaschutzbewegung an diesem Donnerstag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). „Der Termin war überhaupt nicht abgesprochen“, sagte Konstantin Nimmerfroh von FFF Frankfurt am Main der Berliner „tageszeitung“. Er kritisierte, die Basisgruppen seien erst wenige Tage zuvor über das Vorhaben informiert worden.

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Beteiligt an dem Treffen mit Merkel ist von deutscher Seite die FFF-Aktivistin Luisa Neubauer, dazu kommen die schwedische Initiatorin der Bewegung, Greta Thunberg, und die beiden belgischen Aktivistinnen Anuna De Wever und Adélaïde Charliér. Anlass ist ein Brief an die Staats- und Regierungschefs der EU, der inzwischen von rund 125.000 Menschen aus mehr als 50 Ländern unterstützt wird, darunter auch zahlreiche Prominente.

„Wir fühlen uns überrannt“, sagte Nimmerfroh dazu der „taz“. Auch der Brief sei vorab nicht mit der Basis abgestimmt worden. „Es ist schade, dass immer die gleichen Leute in der Öffentlichkeit stehen“, kritisierte in dem Blatt auch der Kieler Aktivist Ole Willerich. „Zweifellos macht Luisa gute Arbeit und hat viel Expertise“, sagte Willerich weiter. „Aber durch dieses Ungleichgewicht in der Öffentlichkeit kommen andere, vielleicht auch radikalere Positionen, nicht zur Geltung.“

Eine andere namentlich nicht genannte FFF-Aktivistin wurde von der „taz“ mit den Worten zitiert: „Es ist kein Erfolg, mit Frau Merkel zusammenzusitzen.“ Immerhin habe die Koalition in den vergangenen Jahren „nicht annähernd etwas gemacht, das uns dem 1,5-Grad-Ziel näher bringt“.

Neubauer forderte „ungewöhnliche Taten“

Die „Fridays for Future“-Aktivistin Neubauer hatte von Bundeskanzlerin Merkel im Vorfeld „unbequeme Taten und ungewöhnliche Wege“ zum Klimaschutz gefordert. Es seien „krasse Zeiten, überall auf der Welt drischt die Klimakrise auf die Menschen ein“, sagte Neubauer den Zeitungen der Funke Mediengruppe vor einem Treffen im Kanzleramt. Weder Deutschland noch Europa seien auf dem Weg, das Pariser Klima-Abkommen einzuhalten. „Die Lage ist dramatisch und mit Blick auf den Klimaschutz desaströs, deshalb gibt es viel zu besprechen“, sagte sie.

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Neubauer wurde am Donnerstagvormittag zusammen mit der Schwedin Greta Thunberg und zwei belgischen Klima-Aktivistinnen von Merkel empfangen. Thunberg hatte vor genau zwei Jahren, am 20. August 2018, zum ersten Mal vor dem Reichstag in Stockholm protestiert.

Die Klimaaktivistinnen Adelaide Charlier , Greta Thunberg und Anuna De Wever (v.l.)

Die Klimaaktivistinnen Adelaide Charlier , Greta Thunberg und Anuna De Wever (v.l.) in Berlin

Quelle: Getty Images/Maja Hitij

Klimaaktivistinnen auf dem Weg ins Kanzleramt

Die Klimaaktivistinnen Greta Thunberg (M.) und Luisa Neubauer (r.) gehen am Morgen in das Bundeskanzleramt. Unterstützer forderten auf Plakaten „Bekämpft jede Krise“

Quelle: dpa-infocom GmbH

Dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ sagte Neubauer: „Angela Merkel müsste die Kanzlerin sein, die dafür sorgt, dass das Pariser Abkommen umgesetzt wird. Das wollen wir mit ihr besprechen.“ Sie wolle im Kanzleramt Druck machen: „Wir haben nur noch sehr wenig Zeit, bevor das 1,5-Grad-Ziel aus unseren Händen gleitet“, sagte sie. „Der aktuellen Klimapolitik zufolge ist unklar, wie viel Frau Merkel an Paris liegt – auch nach zwei Jahren Klimastreiks.“

„Der Wille zum Wandel ist nirgends in Sicht“

Thunberg und Neubauer hatten zuvor bereits Deutschland und Europa zu mehr Einsatz gegen die drohende Klimakatastrophe aufgerufen. „Nach zwei Jahren der Schulstreiks befindet sich die Welt noch immer in einem Zustand des Leugnens der Klimakrise“, schrieben sie zusammen mit den beiden Belgierinnen Anuna de Wever und Adélaïde Charlier in einem Meinungsbeitrag im „Guardian“. „Wir können so viele Treffen haben, wie wir wollen, aber der Wille zum Wandel ist nirgends in Sicht.“

Trotz etlicher Naturkatastrophen habe man immer noch nicht begonnen, die Klima- und Umweltkrise als eine Krise zu behandeln, monierten die Aktivistinnen. Der Abstand zwischen dem, was getan werden müsse, und dem, was tatsächlich getan werde, wachse unentwegt. „Tatsächlich haben wir zwei weitere Jahre durch politische Untätigkeit verloren.“

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„Wir werden Merkel sagen, dass sie sich der Klima-Notlage stellen muss“ – vor allem da Deutschland derzeit die turnusmäßige EU-Ratspräsidentschaft innehabe. „Europa hat eine Verantwortung zu handeln.“ Dazu habe sich die EU im Pariser Weltklimaabkommen verpflichtet.

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