Die Wirtschaftlichkeit der europäischen Atomenergie rechnet sich nicht

Die Wirtschaftlichkeit der europäischen Atomenergie rechnet sich nicht

Rainer Bake, der Geschäftsführer der Stiftung für Klimaneutralität in Deutschland, sagt er unverblümt. „Warum sollte jemand in Kernenergie investieren?“ er fragt sich.

Natürlich hat die Kernenergie klare Vorteile für das Klima und die Energiesicherheit. Aber Baake sagt, es sei bezeichnend, dass die Länder ohne liberalisierte Märkte hauptsächlich in neue Kernkraftwerke investieren (China im Inland und Russland im Ausland, einschließlich der Slowakei und Weißrussland). Weil die enormen Anlaufkosten und -risiken Atomkraft finanziell unlogisch machen, so Baake, der als Politiker an einem Plan für Deutschlands Ausstieg aus der Atomkraft mitgewirkt hat.

In europäischen Demokratien müssen die Regierungen stark in die Unterstützung der Nuklearindustrie eingebunden werden. Und obwohl auch erhebliche Subventionen zum Ausbau der Erneuerbaren beigetragen haben, sind Erneuerbare mittlerweile historisch günstig. (Ohne die alten gasbasierten Großhandelspreissysteme wären sie noch billiger, wie in Großbritannien.)

Eines der Länder, in denen die Preise für Solar- und Windenergie massiv gesenkt wurden, ist Deutschland, das einen dualen Ausstieg aus Kernkraft und Kohle eingeleitet hat. Nach langwierigen rechtlichen und politischen Verhandlungen sollte der Atomausstieg 2022 vollzogen werden. Doch die Energiepreiskrise nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine führte zu der Entscheidung, zwei Anlagen bis mindestens April 2023 in Betrieb zu halten.

Eines dieser Werke, Neckarwestheim 2, liegt im Bundesland Baden-Württemberg. Andre Baumann ist Staatssekretär im baden-württembergischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz und Energie. „Die Sonne schickt uns keine Energierechnung“, betont er. Auch dank billigem Solarstrom soll der Staat bis 2035 mehr Energie produzieren als er verbraucht. Dazu gehöre ein schneller Hochlauf des Angebots: „Momentan können wir Solarpanels und Konverter nicht schnell genug liefern.“

In Frankreich ist derzeit die Hälfte der Kernkraftwerke vom Netz. Und laut Yves Marignac, der die Nuklear- und Fossilieneinheit bei der leitet negaWatt Association in Frankreich ist die französische Nuklearindustrie finanziell gesehen ein hoffnungsloser Fall.

Einerseits werden wie bei Olympia die Rückbaukosten immer wieder überschritten. Es fehle „an Rückstellungen zur Deckung der langfristigen Kosten“, erklärt Marignac, und die französischen Nuklearbetreiber unterschätzen die Kosten systematisch. Marignac sagt, dass es nach weltweiten Erfahrungen derzeit etwa 1 Milliarde Euro (etwa 974 Millionen Dollar) kostet, jeden Reaktor zu demontieren.

Ein Teil des Problems besteht darin, dass französische Betreiber nur vage Absichten zur Wiederverwendung von Kernmaterial berücksichtigen dürfen, die dann von ihrer Verantwortung für die Abfallentsorgung ausgeschlossen werden. Der Vorrat an abgetrenntem Plutonium beträgt laut Marignac jetzt 80 Tonnen, wobei Atomunternehmen sagen, dass sie ihre Pläne für das Material in den kommenden Jahrzehnten verwirklichen werden. Und Plutonium aus der Stromerzeugung wäre für militärische Zwecke unpraktisch, sagte Marignac.

Die langfristige Abfallentsorgung ist ein noch düstereres Thema. In der Schweiz tragen sowohl der Staat als auch die Kernkraftwerksbetreiber Mittel für die Stilllegung und Entsorgung bei. Die aktuelle Finanzierung von 23,1 Milliarden Franken (ungefähr gleicher Betrag in USD) umfasst zwei geologische Tiefenlager, die allerdings erst mindestens 2050 in Betrieb gehen würden. Die Mittel müssten frühestens 2100 bezahlt werden. Selbst in diesen kaum planbaren Zeiträumen sind diese 23,1 Milliarden Franken mit ziemlicher Sicherheit eine gewaltige Unterschätzung.

Wenn es darum geht, einen Reaktor überhaupt zu bauen, erreichen viele Bauprojekte nie die Betriebsphase. „Unter den derzeitigen Marktbedingungen gibt es praktisch keine Chance, neue Reaktoren rentabel zu machen“, sagt Marignac.

Tatsächlich wäre der Schweizer Energiekonzern Axpo nicht daran interessiert, neue zu bauen, wenn die Gesetze dies zulassen würden, während die deutschen Atombetreiber erschöpft wären nicht einmal eine Verlängerung der aktuellen Lizenzen wollen. Unterdessen hat Frankreich mindestens sechs neuen Einrichtungen grünes Licht gegeben.

Da die damit verbundenen enormen öffentlichen und privaten Investitionen „den französischen Haushalt schwer belasten werden“, argumentiert Marignac, dass der französische Energieversorger EDF vollständig verstaatlicht werden muss.

Was ist mit kleineren, weniger sperrigen Kernenergiequellen: den kleinen modularen Reaktoren (SMRs), die von Leuten wie Bill Gates verfochten werden? Baake ist wieder typisch unverblümt, wenn es um SMRs geht. „Es gibt nur ein Problem: Sie existieren nicht.“

Die naheliegende Frage ist also, womit die Atomkraft ersetzt werden soll, insbesondere in atomabhängigen Ländern wie Frankreich und Bulgarien. Die übliche Antwort sind erneuerbare Energien, obwohl unklar ist, wie schnell ihre Nutzung angesichts der Versorgungsprobleme erhöht werden könnte (ganz zu schweigen von den Menschenrechtsverletzungen, die z. B. mit Solarkomponenten aus Xinjiang, China, verbunden sind).

Unter extrem hohe Energiepreise, bereitet sich Europa auf einen noch kostspieligeren Winter vor. Letztendlich werden die Energieinfrastrukturkosten in der einen oder anderen Form über Generationen an die Tarifzahler weitergegeben.

Für viele Atombeobachter, die nur auf die Bilanzen schauen, sollte Atomkraft der Vergangenheit angehören.

Dieser Artikel wurde während einer Forschungsreise mit berichtet sauberer Energiedraht.

Siehe auch  Entwicklung in Großbritannien: Wie effektiv ist der Impfstoff von AstraZeneca wirklich?

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