Corona: Arzt aus Bad Nauheim über Corona und die Langzeitfolgen für den Körper

Corona: Arzt aus Bad Nauheim über Corona und die Langzeitfolgen für den Körper

Prof. H. Ardeschir Ghofrani, Direktor der Abteilung Pneumologie der Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim, und sein Team kümmern sich nicht nur um akute Corona-Fälle, sondern auch um Folgeerkrankungen.

Atembeschwerden, Abgeschlagenheit, Taubheitsgefühle in den Beinen, Gedächtnisstörungen. Manche Menschen, die an Corona erkrankt waren, leiden nach der eigentlich überstandenen Krankheit noch Wochen und Monate unter den Folgen.

Die Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim betreut viele dieser Patienten. Als Level-1-Krankenhaus verfügt es über große, voneinander getrennte Intensivstationen und über entsprechende Ausstattung u. a. zur Beatmung von Patienten. »Die Medizin befindet sich derzeit in einem Lernprozess, in dem wir gemeinsam mit vielen Wissenschaftlern und Kollegen Daten sammeln und auswerten«, sagt Prof. H. Ardeschir Ghofrani, der Ärztliche Geschäftsführer der Kerckhoff-Klinik. Klar ist nur, es gibt diese Folgeerkrankungen. Aber was ist die Ursache?

Ein 68-jähriger Patient schildert, wie es ihm nach seiner Corona-Erkrankung ergangen ist. »Corona hat Spuren hinterlassen. Nicht nur auf der Lunge. Die Oberschenkel reagieren nicht mehr und schmerzen. Drei Finger an der rechten Hand sind taub. Dazu kommt, dass ich ständig aus der Puste bin.«

Es sei noch unklar, ob die Langzeitfolgen mit der Schwere der Erkrankung im Zusammenhang stünden, sagt Prof. Ghofrani. »Es gibt Patienten, die eine Infektion durchgemacht und diese überhaupt nicht bemerkt haben, aber trotzdem Langzeitfolgen entwickeln. Und es gibt Patienten, die schwer erkrankt und auch teilweise tödlich gefährdet waren, die sich überraschend schnell erholen und folgenfrei sind. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es diverse Schattierungen.«

Corona und die Langzeitfolgen: Eine unadäquate Immunantwort?

Eine Hypothese, für die Prof. Ghofrani aber wenig Anhaltspunkte sieht: Covid-19 bildet ähnlich wie Herpes-Viren eine Art von Schläferzellen. Dabei nisten sich bestimmte Virenpartikel in nicht besonders stoffwechselreiche Zellen ein und schlummern in Nervenkernen. In bestimmten Situationen kommt es wieder zum Ausbruch.

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Wahrscheinlicher sei die Hypothese, dass die Folgesymptome durch die Immunreaktion des Körpers auf die Corona-Erkrankung ausgelöst werden. Prof. Ghofrani erklärt diese Hypothese mit einer Analogie: »Ein kleines Feuer lodert. Der Körper produziert idealerweise einen kleinen Feuerlöscher, der es löscht. Das wäre eine adäquate Immunantwort. Wenn ein kleines Feuer lodert und der Körper ein Löschflugzeug produziert, das den ganzen Patienten mit Tonnen von Wasser überschüttet, dann droht der Patient zu ertrinken. Das ist unabhängig von der Viruslast und steht nicht immer im direkten Zusammenhang mit der Schwere der Erkrankung.«

Einen schweren Verlauf hatte auch die Corona-Erkrankung bei einer 55-jährigen Patientin genommen. Sie lag neun Tage auf der Intensivstation. 28 Tage nach dem positiven Corona-Test konnte sie entlassen werden. »Ich hatte weiter Atemprobleme, die sich nur sehr langsam verbessert haben«, berichtet die 55-Jährige. »Außerdem habe ich seitdem Haarausfall und Wechseljahresbeschwerden, die vorher bereits fast vorbei waren.«

Außerdem sind wellenförmige Verläufe bei den Langzeitfolgen festgestellt worden. Eventuell ein Nachhall, bis das Immunsystem sein Gleichgewicht wiedergefunden hat.

Auch wenn die Medizin aktuell in einer Phase des Sammelns und Auswertens ist, zeichnen sich erste Muster ab, sagt Prof. Ghofrani.

Die Langzeitfolgen betreffen vor allem die Lunge. Vermehrt werden auch Herz- und Gefäßerkrankungen beobachtet. »Herzprobleme und Thrombosen machen einen Großteil an Langzeitfolgen aus«, sagt Prof. Ghofrani. Dazu zählen aber auch neurologische Begleiterscheinungen wie Geruchs- und Geschmacksstörungen. »Zudem melden sich mittlerweile viele Patienten, die eine Art Gedächtnisstörung haben«, schildert Prof. Ghofrani. Dazu kommt Abgeschlagenheit, die ebenfalls Wochen und Monate anhält.

Corona und die Langzeitfolgen: Die Symptome werden behandelt

Was kann man tun? Zurzeit nicht allzu viel, außer auf Ursachensuche zu gehen, sagt Prof. Ghofrani. »Durch Nachbeobachtung unserer Patienten und im Austausch mit anderen Wissenschaftlern lernen wir gerade dazu.« Es sei unwahrscheinlich, dass nur eine Zelle oder nur ein Mediator für die Nachfolgererkrankungen verantwortlich sei.

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Bis es da Klarheit gibt, setzt die Kerckhoff-Klinik bei der Behandlung von Langzeitfolgen auf die Symptombehandlung. Also Schmerzmittel gegen Gelenk- und Gliederschmerzen, Medikamente, die zur Herzentlastung beitragen bei Herz-Muskel-Schwäche, Sauerstoffgabe bei Atembeschwerden. Glücklicherweise sei es aber so, dass der absolut größte Teil der Patienten entweder symptomfrei oder symptomarm durch die Infektion komme und auch vor langfristigen Folgeschäden verschont bliebe. »Wir konnten durch die kollektiven Maßnahmen vermeiden, dass Deutschland schlimmer getroffen wurde«, sagt Prof. Ghofrani. »Glücklicherweise haben wir bundesweit einen vergleichsweise niedrigen Prozentsatz von Patienten, die an Covid-19 verstorben sind.« Dennoch: Das Virus sei ein ernstzunehmender Gegner. »Hygieneregeln einhalten, Abstand halten, Mund-Nasen-Schutz tragen«, sagt Prof. Ghofrani. »Es nervt, aber es hilft, diesem Virus zu Leibe zu rücken.«

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