Wie Deutschland die globale Staatsschuldenkrise bewältigen kann – Ökonomie und Ökologie
Die Staatsverschuldung vieler Entwicklungsländer ist alarmierend. Nach der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank im April kündigte Bundesfinanzminister Christian Lindner an, Deutschland werde zusätzliche Mittel für neue Kredite bereitstellen. Darüber hinaus sollte Deutschland seine G7-Präsidentschaft nutzen, um gezielt auf einen nachhaltigen Restrukturierungsmechanismus für Staatsschulden zu drängen – wie im Koalitionsvertrag vereinbart.
Die hohe Staatsverschuldung vieler Entwicklungsländer, die in den letzten Jahren weiter zugenommen hat, birgt die Gefahr einer globalen Staatsschuldenkrise. Dies ist derzeit eines der größten makroökonomischen Risiken für Entwicklungsländer. Dafür gibt es viele Gründe: Gegen Ende der 2010er Jahre wurden große Kredite vergeben, zur Bekämpfung der Folgen der Covid-Pandemie wurde auf Haushaltssanierung zurückgegriffen. Die G7-Staaten betreiben derzeit eine Geldpolitik, die versucht, die Inflation einzudämmen. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine verschärft die Lage zusätzlich.
Im Jahr 2020 sank die Schuldenquote der Entwicklungsländer von durchschnittlich 57 % auf 69 %.
Im Zuge der Covid-Pandemie wurden die Einnahmequellen vieler Länder durch unterbrochene Lieferketten, eingeschränkten Tourismus, Kapitalflucht und schwache Überweisungen massiv reduziert. Im Jahr 2020 sank die Schuldenquote der Entwicklungsländer von durchschnittlich 57 % auf 69 %. Ein erster Zahlungsausfall zeigt das Ausmaß: Im Herbst 2020 konnte Sambia seine Schulden nicht mehr bedienen.
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine verdeutlicht einmal mehr die starke Abhängigkeit und Verwundbarkeit der Entwicklungsländer. Steigende Lebensmittel-, Energie- und Düngemittelpreise sowie die weitere Unterbrechung der Lieferketten haben bereits verheerende Auswirkungen. Inflation, nachlassendes Handelswachstum, steigende Zinssätze und die Stärke des US-Dollars verschärfen den fiskalischen Druck. Laut Weltbankpräsident David Malpass gelten derzeit mehr als 60 % der Länder mit niedrigem Einkommen als akut von einer Schuldenkrise bedroht.
Eine dauerhafte Lösung der derzeitigen Verschuldung der Entwicklungsländer ist wirtschaftlich, geostrategisch und moralisch angemessen und unerlässlich.
Überarbeiten Sie den bestehenden Rahmen
Aus wirtschaftlicher Sicht sind Schulden an sich weder gut noch schlecht. Sie kann Wachstum und Investitionen fördern und antizyklisch ausgleichend wirken. Eine übermäßige Verschuldung birgt jedoch Risiken für Wachstum und Stabilität und schränkt den finanzpolitischen Spielraum ein. Bis heute gibt es auf internationaler Ebene kein faires und wirksames Verfahren zur Restrukturierung von Staatsschulden. Der 2020 verabschiedete Gemeinsame Rahmen der G20-Staaten ist ein erster – aber nicht ausreichender – Schritt.
Der gemeinsame Rahmen soll den Ländern die Möglichkeit geben, die Nachbehandlung unbezahlter Schulden in Einzelfallverfahren auszuhandeln. Wichtig ist, dass jeder Fall gesondert behandelt wird. Die Schulden- und Gläubigerstrukturen verschiedener Länder sind sehr unterschiedlich und bedürfen einer sorgfältigen Betrachtung. Obwohl die Bedeutung Chinas und privater Gläubiger in den letzten zehn Jahren erheblich zugenommen hat, hängt ihre Relevanz stark vom spezifischen Kontext des jeweiligen Landes ab. Die Zurückhaltung der G7-Staaten, auf einen systematischen Umstrukturierungsmechanismus zu drängen, sollte daher nicht mit der Rolle Chinas begründet werden.
Weniger als zwei Jahre nach seiner Gründung fordern IWF und Weltbank bereits eine Überarbeitung des Common Framework. Dies könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein: Ziel muss es sein, auch private Gläubiger systematisch und rechtlich einzubeziehen und den Rahmen auf andere hochverschuldete Länder auszudehnen, etwa auf Schwellenländer.
Die geostrategische Bedeutung eines nachhaltigen Mechanismus wurde nicht nur durch die UN-Resolution vom 2. März zur Verurteilung des russischen Angriffskriegs deutlich, der unter anderem von mehreren Entwicklungsländern nicht unterstützt wurde. Putins Gipfeltreffen mit afrikanischen Staatsoberhäuptern in Sotschi im Oktober 2019 zeichnete ein klares Bild russischer Interessen in und mit Afrika: Im Mittelpunkt standen der Verkauf russischer Atomwaffen und -technologie sowie die militärisch-technische Zusammenarbeit. In diesem Zusammenhang ist es wichtiger denn je, demokratische Partnerländer zu unterstützen, die sich aufgrund untragbarer Schuldenstände in einer destabilisierenden Situation befinden. Aus Sicht der multilateralen Zusammenarbeit im Bretton-Woods-System ist ein Restrukturierungsmechanismus für Staatsschulden, bei dem sich Gläubiger- und Schuldnerländer auf eine konstruktive Lösung verständigen, im deutschen Interesse.
Nicht zuletzt ist eine dauerhafte Lösung, die das Risiko von Staatsschuldenkrisen in Entwicklungsländern eindämmt, einfach moralisch geboten. Die Menschen in den ärmsten Ländern sind am stärksten von der globalen Wirtschaftskrise betroffen. Ohne entschlossenes und koordiniertes Handeln steigt das Risiko einer echten Schuldenkrise in den Entwicklungsländern. Und damit werden Hunger, Armut und Ungleichheit nur noch schlimmer.
Langfristige statt kurzfristige Verpflichtungen
Auf der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank Mitte April in Washington, DC, wurde die Hochverschuldung intensiv diskutiert. Bundesfinanzminister Christian Lindner hat angekündigt, dass Deutschland 6,3 Milliarden Euro an den neuen Resilience and Sustainability Fund des IWF und weitere 100 Millionen Euro an den Disaster Reduction Fund Armut und Wachstum zur Zinsentlastung vergeben wird. Jetzt müsse gehandelt werden, betonte Lindner und warnte vor einer „weltweiten Schuldenkrise“.
Wichtiger als die von Christian Lindner angekündigten zusätzlichen Kredite wäre es, hoch verschuldeten Ländern Zugang zu einem kodifizierten Mechanismus zur Restrukturierung ihrer Staatsschulden zu verschaffen.
Die kurzfristigen Neuzusagen des Bundesfinanzministers sind zu begrüßen. Andere Kredite verschaffen jedoch nur kurzfristig Aufschub und lösen das Problem nicht. Wichtiger als die von Christian Lindner angekündigten zusätzlichen Kredite wäre es, hoch verschuldeten Ländern Zugang zu einem kodifizierten Mechanismus zur Restrukturierung ihrer Staatsschulden zu verschaffen.
Im Koalitionsvertrag hat sich die Ampelkoalition darauf verständigt, auf einen neuen Konsens zum internationalen Schuldenmanagement hinzuarbeiten. Auch ein internationales Staatsinsolvenzverfahren, das alle Gläubiger einbezieht und eine Entschuldung besonders gefährdeter Ländergruppen vorsieht, muss unterstützt werden.
Dieses Ziel muss so schnell wie möglich erreicht werden. Es sollte auch in die Strategie der deutschen Entwicklungspolitik integriert werden, so dass Restrukturierungsvereinbarungen mit Partnerländern von Capacity Building-Programmen für Finanzministerien und Zentralbanken sowie der Förderung von Good Financial Governance begleitet werden. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist dafür bereits gut aufgestellt und kann gemeinsam mit den G7-Staaten ein attraktives Angebot schaffen.
Mit der G7-Präsidentschaft hat Deutschland jetzt eine besondere Chance, den Stein ins Rollen zu bringen. Finanzminister Lindner sollte das Treffen der G7-Finanzminister und Zentralbankgouverneure nutzen, um auf die Weiterentwicklung des Common Framework und die Einrichtung eines dauerhaften und umfassenden Staatsschuldenrestrukturierungsmechanismus zu drängen. Als zweitgrößter Geber der Welt sollte Deutschland eine klare Führungsrolle einnehmen.
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