20 Jahre nach Vereidigung: Wie fest sitzt Assad noch im Sattel?

20 Jahre nach Vereidigung: Wie fest sitzt Assad noch im Sattel?

Als Syriens Präsident Assad vor 20 Jahren sein Amt antrat, waren mit ihm Hoffnungen auf eine politische und wirtschaftliche Öffnung verbunden. Heute steht er vor einem Trümmerhaufen und muss um seine Macht fürchten.

Von Daniel Hechler, ARD-Studio Kairo

Viele sehen in Baschar al-Assad den Sieger, einen, der sich gegen alle Widerstände am Ende durchgesetzt hat, das Paradebeispiels eines Totgesagten, der länger lebt. Den Krieg gegen die Aufständischen im Land hat er mit Hilfe des Iran und Russlands nach gut neun Jahren militärisch gewonnen. Daran gibt es wenig Zweifel, auch wenn Islamisten noch immer Teile der Provinz Idlib unter ihrer Kontrolle und die Kurden eine Selbstverwaltung im Nordosten des Landes etabliert haben.

Der Preis dafür ist allerdings hoch: Etwa 400.000 Menschen sind gestorben, die meisten von ihnen Zivilisten, viele Kinder. Es wurden chemische Waffen eingesetzt, Menschen ausgehungert, Oppositionelle zu Tode gefoltert. Zwölf Millionen Menschen haben ihre Heimat verloren. Einst blühende Städte wie Aleppo oder Homs liegen teils in Trümmern. Die Infrastruktur des Landes ist massiv beschädigt.

Die Vereinten Nationen haben die Kriegsverbrechen der Regierung Assad über die Jahre penibel dokumentiert. Folgen hatte das keine, so lange Russland schützend seine Hand über Assad hielt. Im Sicherheitsrat hatten Resolutionen gegen den Autokraten keine Chance. In der arabischen Welt und auch im Westen mehren sich seit Längerem die Stimmen, ihn als alten und neuen Machthaber Syriens zu akzeptieren, ja ihn zu rehabilitieren. Im Vergleich zu radikalen Islamisten gilt er Vielen als das geringere Übel.

Wirtschaftliche Misere

Es lief also gut für Assad. Und doch muss er nun um seine Macht bangen, womöglich mehr als je zuvor. Denn wirtschaftlich liegt Syrien am Boden. Mehr als 80 Prozent der Syrer leben laut UN unter der Armutsgrenze. Zehn Millionen Menschen sind auf Hilfe angewiesen.

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Die Währung verlor in den vergangenen Monaten mehr als die Hälfte an Wert, die Inflation galoppiert. Die Lebensmittelpreise haben sich mehr als verdoppelt, meldet das Welternährungsprogramm. Viele Menschen können sich kein Fleisch mehr erlauben. Selbst Obst ist für viele unerschwinglich.

Seit der Bankenkrise im Libanon liegen auch Milliarden syrischen Vermögens dort fest. Die jüngsten Sanktionen der USA tun ihr Übriges. Sie zielen auf Einzelpersonen und Firmen, die mit Assad noch Geschäfte machen. Ein weiterer herber Schlag gegen die Regierung.

Unmut wird laut

Es brodelt im Land. Im Juni gingen die Bewohner von Suweida im Südwesten des Landes auf die Straße, um ihrem Unmut Luft zu machen. „Wer sein Volk verhungern lässt, ist ein Verräter“, skandierten sie.

Assads Vetter Ramy Makhlouf lieferte sich mit dem Präsidenten im Mai eine öffentliche Fehde. Der schwerreiche Unternehmer besitzt Syriens größten Mobilfunkanbieter Syriatel und soll vor dem Krieg mehr als 60 Prozent der syrischen Wirtschaft kontrolliert haben. Nun scheint er in Ungnade gefallen und muss 160 Millionen Euro Steuern nachzahlen. In Posts auf Facebook beschwerte sich Makhlouf, beklagte Ungerechtigkeiten, bat den Präsidenten um Nachsicht. Ohne Erfolg. Nun darf er Syrien nicht mehr verlassen.

Selbst in Assads Hochburgen an der syrischen Küste wird Kritik laut. Alewitische Familien, zu denen auch der Clan des Präsidenten gehört, beklagen offen die wirtschaftliche Not. Noch hat Assad das Land mit Hilfe der Geheimdienste im Griff. Eine Alternative ist nicht in Sicht. Widerstand wird brutal unterdrückt.

Die Regierung hat sich schon seit Jahren mit Sanktionen arrangiert und schiebt die Schuld für die Misere routiniert dem Westen zu. Doch die Propaganda verfängt nicht mehr so gut wie früher. Viele fragen nach der Verantwortung der Regierung. Notgedrungen wechselte Assad vor wenigen Wochen den Regierungschef aus – ein Bauernopfer, um kurz vor den Parlamentswahlen vom eigenen Versagen abzulenken. Und doch auch ein seltenes Eingeständnis dafür, dass Fehler passiert sind.

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Es könnte eng werden

Die USA pokern hoch, wollen den Sanktionsgriff erst lockern, wenn sich eine politische Lösung für Syrien abzeichnet. Der Fahrplan ist nicht neu: Entlassung politischer Gefangener, eine neue Verfassung, freie Wahlen. Bislang scheiterte dessen Umsetzung aber stets an Assad, mit der Rückendeckung Moskaus.

Doch auch Russland fehlt das Geld, um Syrien wiederaufzubauen. Assad steht im Weg, um den Westen für Investitionen zu gewinnen. Das weiß auch Wladimir Putin. Russlands Präsident hält an ihm nicht mehr um jeden Preis fest, wie oft zu hören ist. Wenn sich nun auch noch die wirtschaftliche Elite des Landes von Assad abwendet, könnte es eng für ihn werden.

„Tot gesagte leben länger“ – noch mag der versierte Taktiker der Macht diesen Slogan für sich in Anspruch nehmen. Doch die Zeit läuft gegen ihn.


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