Italien: Fünf Abgeordnete sollen Corona-Hilfen für Selbständige beantragt haben
Die römische Zeitung “La Repubblica” hat sie die “fünf Pfiffikusse von Montecitorio” getauft: Laut einem Bericht des Blatts haben fünf italienische Abgeordnete staatliche Corona-Hilfszahlungen für Freiberufler beantragt. “Die 12.439 Euro Diäten, die sie jeden Monat verdienen, haben ihnen nicht gereicht”, schreibt die Tageszeitung. Auch andere Privilegien und Vergünstigungen, von denen die Parlamentarier profitierten, etwa kostenlose Reisen auf Kosten des Steuerzahlers, seien ihnen offenbar nicht genug gewesen.
Um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzumildern, hatte die italienische Regierung im Frühjahr ein Hilfspaket beschlossen. Es sah unter anderem monatliche Zahlungen für Selbständige (etwa Kaufleute, Handwerker, Landwirte), freie Mitarbeiter und arbeitslose Saisonarbeitskräfte der Tourismusbranche in Höhe von 600 (später 1000) Euro pro Monat vor.
Beantragt werden muss der sogenannte Mehrwertsteuer-Bonus beim italienweit wichtigsten Sozialversicherungsträger, dem “Istituto Nazionale della Previdenza Sociale” (INPS). Laut “Repubblica” deckte eine Antikorruptions-Einheit des INPS die Affäre auf. Die Namen der fünf Abgeordneten seien aus Datenschutzgründen bislang nicht bekannt gegeben worden.
TV-Moderator im Visier
Wie die “Repubblicca” weiter schrieb, sollen drei der Abgeordneten der rechtspopulistischen “Lega” angehören, einer der linkspopulistischen “Fünf-Sterne-Bewegung” und einer der von Ex-Premier Matteo Renzi gegründeten Partei “Italia Viva”. Ein TV-Moderator soll sich laut “Repubblica” unter ihnen befinden.
Einstimmig verurteilten die Parlamentarier aller Couleur die fünf Abgeordneten. “Es ist beschämend und wirklich unanständig”, schrieb Außenminister Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung auf Facebook und forderte, ebenso wie Matteo Salvini, Parteichef der rechten “Lega”, den Rücktritt der fünf “Pfiffikusse”.
Es sei “eine Schande, dass fünf Abgeordnete den Mehrwertsteuer-Bonus in Anspruch genommen haben. Diese Abgeordneten müssen sich entschuldigen und zurückgeben, was sie erhalten haben”, zitiert der “Corriere della Sera” den Präsidenten der Abgeordnetenkammer des italienischen Parlaments, 5-Stelle-Mitglied Roberto Fico.
“Darf ich sagen, dass dies eine echte Schande ist?”
Die stellvertretende Ministerin für Wirtschaft und Finanzen, Laura Castelli, schloss sich der Kritik ihrer Parteigenossen an: “Wir griffen zu dieser Maßnahme, um denen zu helfen, die wirklich leiden, die plötzlich in Schwierigkeiten geraten waren, die sie wirklich brauchten”, so Castelli laut “Corriere”.
Doch auch Angehörige der anderen Parteien distanzierten sich von den fünf Abgeordneten. So schrieb der Sekretär des Partito Democratico, Nicola Zingaretti, auf Facebook: “Darf ich sagen, dass dies eine echte Schande ist?” “Es ist empörend”, zitiert der “Corriere” Licia Ronzulli von der rechtspopulistischen “Forza Italia”.
Die Corona-Pandemie hat das wirtschaftlich angeschlagene Land in eine tiefe Krise gestürzt. Laut Prognosen der EU-Kommission könnte das italienische Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 11,2 Prozent einbrechen – ein Negativ-Rekord.
Um die Not zu lindern und die Wirtschaft anzukurbeln, hat die Regierung jüngst ein 25 Milliarden Euro schweres Konjunkturpaket gebilligt. Es umfasst mehr als hundert Einzelmaßnahmen, darunter Steuererleichterungen.
Von allen Ländern Europas bekommt Italien die größte Hilfe aus dem 750 Milliarden-Fonds der EU zum Wiederaufbau Europas: Das Land wird 209 Milliarden Euro erhalten, davon 82 Milliarden Euro als reine Zuschüsse.
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