Weniger Apple, gar kein Amazon – Dow Jones ist schlechteste Index der Welt

Weniger Apple, gar kein Amazon – Dow Jones ist schlechteste Index der Welt

Er ist der bekannteste Aktienindex der Welt. Für Millionen Menschen auf dem Globus fungiert er als Gradmesser dafür, was das eigene Vermögen macht. In den USA soll es sogar ein psychisches Krankheitsbild namens „Dow-Fieber“ geben, eine Art Abhängigkeit, die sich darin äußert, dass die innere Stimmung mit dem Auf und Ab des Indexstands schwankt.

Die Rede ist vom altehrwürdigen Dow Jones Index, wegen seiner Historie als Industriewerte-Gradmesser offiziell Dow Jones Industrial Average genannt. Während das Wall-Street-Barometer aus dem Leben von Privatanlegern schwer wegzudenken ist und längst zum Teil der Populärkultur avancierte, wenden sich die Profis immer mehr von dem Index ab, und das hat Gründe.

Professionelle Investoren erinnert der Dow Jones inzwischen in vieler Hinsicht an ein historisches Kuriositätenkabinett der Finanzwelt, bei dem nichts so ist, wie es bei einem großen Index sein sollte. Kaum etwas könnte die teils bizarren Eigenheiten des Dow mehr verdeutlichen als der große Indexumbau, den der Indexanbieter S&P Global am Montagabend fast schon nebenbei bekannt gegeben hat.

Danach soll das Tech-Unternehmen Salesforce den traditionsreichen Ölkonzern ExxonMobil im Index ersetzen. Die Biotech-Firma Amgen löst den Pharmariesen Pfizer ab und zu guter Letzt muss die Rüstungsfirma Raytheon dem Industrie- und Mischkonzern Honeywell weichen. Eben erst verkündet soll der Umbau vor Börsenöffnung am 31. August in Kraft treten.

Die Bedeutung von Tech-Giganten im Index nimmt ab

Indexumstellungen sind nichts Ungewöhnliches, doch diese ist besonders kurios. In der mehr als 120-jährigen Geschichte des Index ist es eines der größeren Revirements. Seit sieben Jahren hat es keinen so umfassenden Dow-Umbau mehr gegeben. So richtig seltsam wird es, schaut man sich den eigentlichen Auslöser für den Auf- und Abstieg von insgesamt sechs Unternehmen an, das ist nämlich der bevorstehende Split der Apple-Aktie.

Quelle: Infografik WELT

Ende August wird der iPhone-Bauer seine Papiere im Verhältnis eins zu vier „teilen“. Durch diesen Schritt reduziert sich der Apple-Anteil im Dow Jones von einem Tag auf den anderen auf ein Viertel. Das ergibt sich zwangsläufig aus einer Besonderheit des 1896 gegründeten Index, dessen Stand letztlich eine Addition der Kurswerte der 30 Mitgliedsunternehmen darstellt.

Wenn sich nun die mit fast 500 Dollar optisch teuerste Aktie im Dow Jones viertelt, dann sinkt automatisch das Gewicht des Tech-Giganten von gut zwölf Prozent auf dann rund drei Prozent. Dass die Firma Apple durch die Teilung keinen einzigen Dollar weniger wert wird, ändert daran für den Dow Jones gar nichts.

Bei einem Split werden sämtliche Ansprüche der Aktionäre einfach auf mehr Aktien verteilt, der Kuchen bleibt gleich groß, hat aber mehr Stücke. Technisch gesehen passiert das durch die Ausgabe von Gratisaktien, im Falle von Apple sind es drei Papiere für eine bisherige Aktie.

Andere Indizes richten sich bei der Gewichtung weitgehend nach dem Börsenwert einer Firma. Der Börsenwert ergibt sich aus der Summe aller Aktien multipliziert mit dem Aktienkurs. Dieser auch Marktkapitalisierung genannte Wert wird von einem Split nicht tangiert. Deshalb ändert sich die Apple-Gewichtung im S&P 500 durch die „Teilung“ zum Beispiel überhaupt nicht.

Die Gewichtung verwundert Experten

Der Apple-Split zielt in erster Linie darauf ab, das „schwer“ gewordene Tech-Papier für Privatanleger „leichter“ und damit attraktiver zu machen. Für den Index hätte die Apple-Volte aber die Konsequenz, dass der Anteil von Tech-Unternehmen um rund neun Prozentpunkte fallen würde.

Offenbar auch um dies zu verhindern, nimmt der Indexanbieter den Unternehmenssoftware- und Cloudspezialisten Saleforce auf, der (1999 gegründet) binnen zwei Jahrzehnten von einem Start-up zu einem Branchengiganten mit fast 200 Milliarden Dollar Börsenwert herangewachsen ist.

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Dank eines optisch hohen Aktienkurses von gut 215 Dollar wird Salesforce auf einen Schlag zur viertgewichtigsten Aktie im Dow und kann ein größeres Gewicht für sich beanspruchen als Microsoft, und das, obwohl Microsoft mit einer Marktkapitalisierung von 1,6 Billionen Dollar rund sechsmal so groß ist wie Salesforce.

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Schon heute irritiert es professionelle Investoren, dass der Versicherer Travelers mit einer Marktkapitalisierung von 29 Milliarden Dollar das gleiche Gewicht im Dow Jones innehat wie die Bank JP Morgan, die rund zehnmal so groß ist.

Quelle: Infografik WELT

Die besondere Konstruktion des Dow Jones bringt noch mehr Kuriositäten mit sich. So sind große und für die US-Wirtschaft wichtige Unternehmen überhaupt nicht in dem Börsenbarometer vertreten. Das beste Beispiel ist Amazon. Den gemessen am Börsenwert von 1,7 Billionen Dollar zweitgrößten US-Konzern suchen Anleger im Dow vergebens.

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Sein Aktienkurs von über 3000 Dollar würde dem Onlinehändler im Index den Regeln zufolge ein Gewicht von mehr als 70 Prozent bescheren. Da sich Amazon-Chef Jeff Bezos beharrlich weigert, die Aktie zu splitten und damit optisch „leichter“ zu machen, muss eines der wachstumsstärksten und erfolgreichsten Unternehmen der vergangenen 30 Jahre draußen bleiben. Da mag Amazon mit einem Umsatz von 321 Milliarden Dollar und mehr als 800.000 Mitarbeitern zu den größten Unternehmen des Landes zählen, das alles ändert nichts daran.

Der Dow könnte heute doppelt so hoch stehen

Gleiches gilt für die Google-Mutter Alphabet, deren zwei börsengehandelte Aktien-Gattungen mit den Kürzeln GOOG und GOOGL bei rund 1600 Dollar notieren, also viel zu hoch für den Veteran der Indices. Die A-Aktie von Warren Buffetts Holding Berkshire wird es nie in den Dow Jones schaffen, wird das Papier doch für 320.000 Dollar gehandelt. Berkshire ist zwar das aktuell sechstgrößte Unternehmen der USA, ist aber nicht Dow-kompatibel.

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Die konstruktiven Mängel haben nicht verhindert, dass der Dow Jones für viele Kapitalisten rund um den Planeten eine Ikone ist. Dabei sind dem Index-Methusalem bereits in der Vergangenheit potenzielle Zugpferde durch die zuweilen willkürlich anmutenden Auf- und Abstiege entgangen.

So war der Computerpionier IBM 40 Jahre lang nicht im Leitindex vertreten, von 1939 bis 1979. Just diese vier Jahrzehnte waren aber einige der wachstumsreichsten Phasen der IBM-Geschichte. Findige Analysten haben ausgerechnet, dass der Dow heute doppelt so hoch stehen könnte, wäre „Big Blue“ auch zwischen 1939 und 1979 Mitglied im 30er-Klub gewesen.

Quelle: Infografik WELT

Die anachronistische Konstruktion des Dow Jones hat dazu geführt, dass sich immer mehr große Adressen von dem altehrwürdigen Leitindex abwenden und ihn auch nicht mehr als Messlatte für das Abschneiden des eigenen Portfolios verwenden. Und auch die Verfechter „passiver“ Anlagestrategien machen meist einen Bogen um den Dow.

Das Volumen der Indexfonds, die den Dow Jones Industrial Average abbilden, beträgt läppische 28 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Allein die drei Firmen, die jetzt neu in den 30er-Klub aufgenommen werden, bringen 440 Milliarden auf die Waagschale.

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Der Kontrast zum marktbreiten S&P 500 könnte größer nicht sein. In den Fonds, die den S&P 500 abbilden, sind laut S&P Global nicht weniger als elf Billionen Dollar investiert: 11.000 Milliarden. Das ist imposant und Sparer sollten sich auch lieber an diesen Index halten. Während vieles, das mit dem Dow Jones zu tun hat, eher kurios anmutet.

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