Schulstart nach Sommerferien: Bundesländer bei Maskenpflicht uneins

Schulstart nach Sommerferien: Bundesländer bei Maskenpflicht uneins

In den kommenden Tagen beginnt in vielen Bundesländern die Schule. Um zum Regelbetrieb zurückzukehren, planen die Kultusminister verschiedene Varianten einer Maskenpflicht. Generelle Kritik kommt von Lehrergewerkschaften.

Kurz vor Beginn des neuen Schuljahres in vielen Bundesländern planen die Kultusminister verschiedene Formen einer Maskenpflicht in Schulen. Nachdem am Montag Hamburg verkündet hatte, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes verbindlich vorzuschreiben, soll es nun auch an Brandenburgs Schulen eine Maskenpflicht außerhalb der Klassenräume geben.

Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) sagte im rbb, die Maskenpflicht werde wie in anderen Bundesländern nur auf den Gängen gelten. Im Unterricht werde darauf verzichtet, weil dort die direkte Kommunikation wichtig sei. Man befinde sich derzeit in der finalen Abstimmung über die neue Regelung. Spätestens am Mittwoch werde man über die Entscheidung informieren, damit die Schulen rechtzeitig Klarheit hätten, so die Ministerin.

In Mecklenburg-Vorpommern müssen Lehrer und Schüler ab der fünften Klasse von morgen an auf dem Schulgelände eine Mund-Nase-Bedeckung tragen – ausgenommen sind die Klassenräume. Bildungsministerin Bettina Martin sagte, die Schüler sollten ferner angehalten werden, auf dem Weg zum Schulbus und an der Haltestelle ihre Maske zu tragen. Mit den Kommunen sollen Lösungen für sehr volle Schulbusse gesucht werden, um für Entzerrung zu sorgen.

NRW will Maskenpflicht im Klassenzimmer

Zuvor hatten bereits andere Bundesländer wie Berlin, Bayern und Baden-Württemberg angekündigt, gegen die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus eine Maskenpflicht in Schulgebäuden einzuführen. Während des Unterrichts ist jedoch kein Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes vorgesehen. Die schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen will im Gegensatz dazu eine Maskenpflicht einführen, die für ältere Schüler an weiterführenden Schulen und Berufsschulen sogar im Unterricht gilt.

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Der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland hält die Pläne für „nicht sinnvoll“. Ein „längeres Maskentragen beeinträchtigt bei Schülern die Leistungsfähigkeit“, sagte der Verbandspräsident Thomas Fischbach den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Zudem würden Blickkontakt und Kommunikation zwischen Schülern und Lehrern gestört.

Niedersachsen und Berlin skeptisch

Auch die große Koalition in Niedersachsen hält die Maskenpflicht im Unterricht für übertrieben. Das Land starte nach den Sommerferien an den Schulen einen eingeschränkten Regelbetrieb mit möglichst festen Lerngruppen, sagte Kultusstaatssekretärin Gaby Willamowius in Hannover. Angesichts der derzeit niedrigen Infektionszahlen in Niedersachsen sei das Tragen von Masken während der gesamten Unterrichtszeit in einer solchen Lerngruppe nicht verhältnismäßig.

Auch Berlin will derzeit nicht dem Beispiel Nordrhein-Westfalens folgen: „Im Moment ist das nicht vorstellbar, weil ich das aus einer pädagogischen Sicht für sehr schwierig finde“, sagte Bildungssenatorin Sandra Scheeres und betonte, gerade in Grundschulen sei es wichtig, die Mimik der Schüler sehen zu können. Für den Fall, dass die Infektionszahlen im neuen Schuljahr deutlich steigen sollten, schloss Scheeres aber die Verhängung einer Maskenpflicht nicht aus.

Kritik an Rückkehr zum Regelbetrieb

Während die Landesregierungen nach einer passenden Ausgestaltung der Maskenpflicht suchen, ist die Debatte über die Rückkehr zum Regelbetrieb in den Schulen neu entbrannt. SPD und Lehrergewerkschaften sehen den Schulstart grundsätzlich mit Sorge. Wegen steigender Infektionszahlen warnen sie, dass es bei einer Rückkehr zum Präsenzunterricht nach den Sommerferien zu gesundheitlichen Risiken kommen werde.

SPD-Chefin Saskia Esken sagte der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft, sie halte eine Rückkehr zur gewohnten Normalität an Schulen für eine Illusion. Nötig seien Unterrichtskonzepte, „die die Kontakte beschränken“, forderte sie mit Blick auf den teilweise geplanten Verzicht auf Abstandsregeln an den Schulen. Geteilter Unterricht, zu dem beispielsweise für Sport, oder Fremdsprachen verschiedene Gruppen zusammenkommen, müsse in Zeiten des Coronavirus anders organisiert werden.

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Lehrer werfen Politik illusorische Pläne vor

Auch die Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE) hält eine Rückkehr zum Regelschulbetrieb für unrealistisch. „Es wird keinen flächendeckenden, vollumfänglichen Regelschulbetrieb wie vor Corona geben“, sagte ihr Bundesvorsitzender Udo Beckmann der „Welt“. Ähnlich sieht es die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): Schulöffnungen stellten ein hohes Risiko dar. „Alle Beteiligten müssen vorsichtig sein und das Abstandsgebot einhalten“, sagte GEW-Chefin Marlis Tepe der „Passauer Neuen Presse“.

Theorie und Praxis der Unterrichtsgestaltung werden wohl weit auseinandergehen, befürchten die Gewerkschaften. Die Politik habe eine Illusion geweckt und etwas als realisierbar dargestellt, „was selbst bei gleichbleibend niedrigem Infektionsgeschehen nicht umgesetzt werden könnte“, kritisiert Beckmann von der Lehrergewerkschaft VBE.

Verweis auf Lehrermangel

Ein weiteres Problem liegt nach Einschätzung von VBE-Chef Beckmann in der Personalsituation. Er verweist auf den akuten Lehrermangel, den es schon vor der Corona-Krise gegeben habe. „Die personellen Ressourcen reichen trotz Einstellung von Seiteneinsteigenden und der Reaktivierung älterer Lehrkräfte aus Pension und Rente nicht aus.“ Einig sind sich die Gewerkschaften und die SPD aber auch darin, dass es grundsätzlich gut ist, dass die Schule wieder losgeht – wenn auch die Frage des „Wie“ Sorgen bereitet.

Nach Ansicht von Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) ist die Rückkehr zum Präsenzunterricht an den Schulen richtig. Bei den Einschränkungen in der Pandemie habe man Eltern, Schüler und Kindergartenkinder viel zu wenig beachtet, sagte er im Sender „Welt“. Man könne nicht alles durch digitalen Unterricht ersetzen. „Die Schülerinnen und Schüler, die müssen irgendwo auch in die Schulen rein, die müssen sich gegenseitig sehen, und deswegen hat das jetzt eine ganz große Priorität und muss jetzt also auch wieder in den Regelunterricht überführt werden.“ 

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Brinkhaus erwartet dennoch auch im neuen Schuljahr einen Mischbetrieb. „Wir werden digitale Formate mehr nutzen, übrigens auch nach der Pandemie“, sagte er. Der Bund habe sehr viele Mittel bereitgestellt, diese müssten von den Ländern auch abgerufen werden. Bildung sei Ländersache und diese müssten nicht nur Hygienekonzepte, sondern auch Digitalisierungskonzepte entwickeln.

Über dieses Thema berichtete NDR Info am 04. August 2020 um 14:15 Uhr.


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