Real Madrid: Bitterste Karriere-Erfahrung an Toni Kroos abgeperlt

Real Madrid: Bitterste Karriere-Erfahrung an Toni Kroos abgeperlt

Toni Kroos hat sich nie von Kritiken beeindrucken lassen. Was ihn schon jung auszeichnete, hat er als mittlerweile 30-Jähriger perfektioniert.

In Podcasts gibt er sich betont ohne Filter, die Breitseiten in seiner Wahlheimat Spanien für Zweifel am Gehaltsverzicht in der Corona-Krise („Wie eine Spende ins Nichts”) waren so schnell passé, wie er mit unanfechtbaren Leistungen zu Real Madrids Meisterschaft beitrug.

Im Rückspiel des Champions-League-Achtelfinals treffen Toni Kroos und Real Madrid auf Manchester City. Mittlerweile ist der Deutsche wieder gesetzt - im Gegensatz zum Hinspiel

Im Rückspiel des Champions-League-Achtelfinals treffen Toni Kroos und Real Madrid auf Manchester City. Mittlerweile ist der Deutsche wieder gesetzt

Quelle: dpa/Uwe Anspach

Und auch die üblichen Nörgler in den sozialen Netzwerken entwaffnet er mit unangestrengter Ironie. „Kroos ist so was von überschätzt, Mann”, schrieb gerade ein Fan. „Ja, aber sag’s keinem weiter”, antwortete der Spieler.

Umstrittener Bankplatz

Abgeperlt an dem Deutschen scheinen auch die Verwerfungen eines Abends, den man getrost als persönlich bittersten seiner mit drei Champions-League-Siegen so glorreichen Jahre in Madrid bezeichnen kann.

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Ende Februar setzte ihn Trainer Zinédine Zidane beim Achtelfinal-Hinspiel gegen Manchester City auf die Bank. Es war das erste Mal seit seinem Wechsel 2014, dass einem fitten Kroos in einem wichtigen Match derartiges widerfuhr. Zur allgemeinen Verblüffung wurde er nicht mal eingewechselt, als Real nach einer 1:0-Führung das Spiel entglitt.

Am Ende triumphierten die von Pep Guardiola trainierten Engländer 2:1 und könnten sich im Rückspiel vor eigenen – wenn auch leeren – Tribünen ein 0:1 erlauben. Wer Freitag ab 21 Uhr (im Sport-Ticker der WELT) die Oberhand behält, qualifiziert sich für das „Final 8“, das am Mittwoch in Lissabon beginnt.

Plausch mit Guardiola

An jenem Februarabend musste sich Zidane viele Fragen gefallen lassen. Kroos sagte öffentlich nichts und rächte sich – wenn überhaupt – hintersinnig: Durch einen ausführlichen Plausch mit Guardiola, den er einst bei Bayern München kennen- und schätzen gelernt hatte. Man parlierte am Rande des Interviewbereichs, also gut sichtbar für die medialen Multiplikatoren – die das Gesehene sofort skandalisierten.

Trainer Zinedine Zidane ließ Kroos im Hinspiel nur auf der Bank

Trainer Zinedine Zidane ließ Kroos im Hinspiel nur auf der Bank

Quelle: AFP/GABRIEL BOUYS

Real-Fanjournalisten sahen in der Unterhaltung ein gewieftes Destabilisierungsmanöver des City-Trainers. Guardiola wird von ihnen teuflischer Kräfte verdächtigt, seit er zwischen 2008 und 2012 den FC Barcelona nicht nur zu einem Titel nach dem anderen führte, sondern dabei auch einen Diskurs ästhetischer Überlegenheit pflegte, den man in Madrid als überheblich empfand.

Real antwortete damals mit der Verpflichtung von Trainer-Bulldozer José Mourinho. Doch während Guardiola die Hauptstädter bald nur noch aus der Ferne mit seinem Aktivismus für eine katalanische Unabhängigkeit nervte, gelang denen der Turnaround erst, als sie sich auf den Fußball besannen. Mit diskreten Trainern wie Zidane, und mit einer Mischung aus aggressiven Leadern wie Kapitän Sergio Ramos und ruhigen Qualitätsarbeitern wie Kroos.

Beste Passquote der spanischen Liga

Nach Heimspielen ist er oft der Einzige, der noch ein paar Schritte auf die Kurve zugeht und den Anhängern für ihre Unterstützung dankt; schon, weil er es aus Deutschland so gewohnt ist. Aber er ist gewiss keiner, der dem Volk aufs Maul schaut.

Wenn sich der Mittelfeldmann nach einer schwachen Saison 2018/19, der deshalb von vielen unverstandenen Vertragsverlängerung bis 2023 und dem Rückschlag des City-Hinspiels wieder als fester Bestandteil von Reals Achse etabliert hat, liegt das bestimmt nicht an Anbiederungen an den Fangeist. Zwar versichert Kroos glaubhaft, wie glücklich er in Madrid ist und mit wie viel Stolz er für den Verein spielt: nicht umsonst will er seine Karriere bei Real beenden.

Toni Kroos soll Real gegen Manchester City ins Viertelfinale führen

Toni Kroos soll Real gegen Manchester City ins Viertelfinale führen

Quelle: AP

Aber er hat auch kein Problem damit, auf einem Spielerabend als Erster zu gehen, oder zu gestehen, dass er noch nie im Stadtzentrum war. Das Publikum akzeptiert das alles als irgendwie typisch deutsch – solange er nur ähnlich klischeetreu, also zuverlässig, den Ball sprechen lässt.

Diese Saison passte Kroos in 93,49 Prozent der Fälle zu einem Teamkollegen und damit akkurater als jeder andere in La Liga. Im frenetischen Schlussspurt mit Partien im Dreitagesrhythmus setzte er nur die unwichtigeren Matches aus. Und die nach der Hinspiel-Niederlage gegen City bedrohliche Lage am Königshof hat sich durch die Meisterschaft komplett entspannt.

Real ohne Ramos

Vor allem Zidane, damals heftig kritisiert für den Matchplan ohne Kroos, hat seine Aura zurückgewonnen und wurde als Architekt des ersten Titels seit dem Abgang von Cristiano Ronaldo gefeiert.

Schon wegen der finanziellen Engpässe der Corona-Zeit wird die Mannschaft auch nächste Saison zusammenbleiben. Allein die in Ungnade gefallenen Gareth Bale und James Rodríguez sollen verkauft werden. Nach Manchester nahm sie Zidane gar nicht mehr mit.

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Für Real spricht gegen Guardiola dennoch wenig bis nichts. Es braucht mindestens zwei eigene Treffer, doch Torerfolge fallen ohne Ronaldo notorisch schwer. Die Liga wurde auf Basis der Defensive gewonnen. Just deren Chef Ramos fehlt nun gesperrt – dabei ist er zugleich Madrids zweitbester Torschütze. In dieser Lage gibt Hoffnung allenfalls die eigene Geschichte des Rekord-Europapokalsiegers. Und ein Unterschied zum Hinspiel: Toni Kroos dürfte auf dem Platz stehen.

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