Präsidentenwahl in Belarus: Polizei geht gegen Demonstranten vor

Präsidentenwahl in Belarus: Polizei geht gegen Demonstranten vor

Die belarussischen Staatsmedien verkünden zwar bereits den Wahlsieg von Machthaber Lukaschenko – die Opposition sieht jedoch dessen Rivalin Tichanowskaja vorn. In mehreren Städten kommt es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Nach der umstrittenen Präsidentenwahl in Belarus ist es zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Protestierenden gekommen. In der Hauptstadt Minsk ging die Polizei mit Wasserwerfern, Gummigeschossen und Blendgranaten gegen die Demonstrierenden vor. In Brest wurde laut Medienberichten Tränengas eingesetzt.

Bilder in den Onlinenetzwerken zeigten Demonstranten, die mit blutüberströmten Gesichtern durch die Straßen liefen. Auf Twitter wurden Videos veröffentlicht, die zeigten, wie Sicherheitskräfte in Minsk auf Menschen einschlugen. Die Polizisten wurden daraufhin von Passanten angegriffen. Augenzeugen beschrieben chaotische Szenen.

Beobachtern zufolge sollen sich bis zu 100.000 Menschen an den Demonstrationen beteiligt haben. An einem Denkmal im Zentrum der Stadt versammelten sich demnach Tausende Demonstranten. Protestierende versuchten, Barrikaden zu errichten. Oppositionsnahe Medien meldeten, ein Polizei-Mannschaftswagen sei in die Menge gefahren.

Es gab Berichte über Verletzte und Dutzende Festnahmen. Das Innenministerium erklärte dagegen, niemand sei verletzt worden. Die Polizei habe die Lage „unter Kontrolle“.

Vorwurf: Wahlbetrug

Die Proteste richten sich gegen mutmaßliche Wahlfälschungen und einen von den Behörden angekündigten Sieg von Präsident Alexander Lukaschenko. Staatsmedien zufolge erhielt Lukaschenko 79 Prozent der Stimmen. Zu diesem Ergebnis würden sogenannte Exit Polls kommen, für die mehr als 12.000 Wahlberechtigte nach dem Urnengang befragt wurden. 30 Prozent von ihnen hätten keine Antwort geben wollen, hieß es. Die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja soll nur 6,8 Prozent der Stimmen erhalten haben.

Vorläufige Ergebnisse werden für Montag erwartet. Unabhängige Nachwahlbefragungen im Ausland kommen bereits jetzt zu einem anderen Ergebnis als die staatlichen Stellen: Demnach soll Tichanowskaja 71 Prozent geholt haben – Lukaschenko nur zehn Prozent.

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Von der Wahlkommission gab es auch Stunden nach Ende der Abstimmung keine ersten offiziellen Ergebnisse. Die Internetseite der zentralen Wahlleitung war nicht mehr abrufbar. Einzelne örtliche Wahlkommissionen traten vor die Menschenmengen und verkündeten Ergebnisse, nach denen Lukaschenko eine schwere Niederlage erlitten habe. Teils kam Tichanowskaja demnach auf zwischen 80 bis 90 Prozent der Stimmen.

„Nie dagewesene Krise“

Tichanowskaja kritisierte die Abstimmung. Sie lehnte die offiziellen Nachwahlbefragungen ab. „Ich glaube an das, was ich mit eigenen Augen sehe, und ich sehe, dass die Mehrheit hinter uns steht“, sagte sie. Die 37-Jährige hatte in den vergangenen Wochen massiv an Zustimmung gewonnen und zahlreiche Anhänger mobilisiert, obwohl die Behörden hart gegen die Opposition vorgegangen waren.

„Eine tiefe, noch nie dagegewesene Krise zieht herauf“, sagte Tichanowskajas Mitstreiterin Maria Kolesnikowa am Abend bei einer Pressekonferenz. Sie warf der Regierung vor, in mehreren Wahllokalen habe die Beteiligung bei mehr als 100 Prozent gelegen.

Siegesfeiern in mehreren Städten

In einzelnen Orten feierten Demonstranten den Sieg Tichanowskajas. Die Menschen riefen die Uniformierten auf, sich dem Wählerwillen zu beugen und dem Volk anzuschließen. In einzelnen Ortschaften habe die Polizei kaum Widerstand leisten können gegen die Menschenmengen, berichteten oppositionsnahe Internetportale. Tausende Menschen zogen feiernd durch die Straßen und riefen: „Es lebe Belarus!“

Tichanowskaja rief die Sicherheitskräfte zum Gewaltverzicht auf. „Ich möchte Polizei und Militär daran zu erinnern, dass sie Teil des Volkes sind“, sagte sie in der Nacht nach Angaben ihres Wahlkampfstabs. An ihre Anhänger appellierte sie, Provokationen zu unterlassen. „Ich weiß, dass die Menschen in Belarus morgen in einem neuen Land aufwachen werden.“

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Drohungen an Demonstranten im Vorfeld der Wahl

Der mit harter Hand regierende Amtsinhaber Lukaschenko kandidierte für eine sechste Amtszeit – er ist bereits seit zweieinhalb Jahrzehnten an der Macht. Beobachter rechneten bereits vor der Wahl mit einem klaren Sieg Lukaschenkos. Bereits im Vorfeld der Wahl hatte er angekündigt, gegen Demonstranten werde hart durchgegriffen. Sicherheitskräfte sperrten weite Teile des Zentrums ab. Hundertschaften wurden am Präsidentenpalast zusammengezogen.

Während des Wahltags war die Lage angespannt. Mindestens acht Mitglieder des Wahlkampfteams der Opposition wurden festgenommen.



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