Liberale deutsche FDP schließt zusätzliche Verschuldung für Investitionen aus - EURACTIV.de

Liberale deutsche FDP schließt zusätzliche Verschuldung für Investitionen aus – EURACTIV.de

Die drei Parteien der nächsten deutschen Regierung haben deutlich gemacht, dass sie über Jahre hinweg ein Jahrzehnt in die Zukunft investieren wollen. Die Quelle der Mittel für solche Investitionen bleibt jedoch ungewiss. EURACTIV Deutschland berichtet.

Die neuen Bundessozialdemokraten (SPD), Grüne und die wirtschaftsfreundliche FDP haben sich in ihrem Koalitionsvertrag auf die Notwendigkeit einer „beispiellosen Höhe“ an Finanzmitteln geeinigt. Für den Klimaschutz will sie einen Klima- und Transformationsfonds (KTF) einrichten, der die grüne Transformation der deutschen Wirtschaft finanzieren soll.

Damit die Bundesregierung aber auch ihre anderen ambitionierten Ziele, Deutschland wieder auf Kurs zu bringen, insbesondere bei Digitalisierung, Bildung und Forschung – den anderen drei Eckpfeilern der geplanten Investitionsoffensive – erreichen kann, werden auch wichtige Ressourcen benötigt.

Einzeldarlehen

Der Ehrgeiz, ein „Jahrzehnt der Investitionen“ zu haben, wird bereits von vielen Experten in Frage gestellt, die sich fragen, wie sich dies mit dem Ehrgeiz der neuen Regierung vereinbaren lässt, Steuererhöhungen zu vermeiden.

Eine Möglichkeit wäre, sich zu verschulden, solange die „Schuldenbremse“, die die jährliche Kreditaufnahme des Bundes begrenzt, noch inaktiv ist.

„2022 bleiben die Auflagen der Schuldenbremse ausgesetzt“, sagt Max Krahé, Forschungsdirektor der Denkfabrik Dezernat Zukunft, gegenüber EURACTIV.

„Damit will sich die Koalition massiv verschulden. Das so gesammelte Geld will die Regierung in einen Fonds stecken, der in der verbleibenden Legislaturperiode für Investitionen verwendet werden könnte “, fügte er hinzu.

Die Idee zu diesem einmaligen Kredit kam des Ökonomen Clemens Fuest vom ifo Institut.

Laut Krahé gibt es keine quantitative Grenze, wie viel Geld die Regierung auf diese Weise aufbringen kann, aber eine qualitative. Die Aussetzung der „Schuldenbremse“ ist der Pandemie vorbehalten, was bedeutet, dass das vom Staat geliehene Geld nur im Rahmen der Erholung nach der Krise ausgegeben werden kann.

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Wenig Begeisterung bei der FDP

Die liberale FDP hat diese Ansicht jedoch bereits zurückgewiesen. Die Partei will die Nettoverschuldung im kommenden Jahr sogar unter dem von der Vorgängerregierung prognostizierten Niveau halten.

„Wir werden für die Gründung des KTF nur Kredite verwenden, die die Merkel-Regierung bereits für 2021 zur Verfügung gestellt hat, die aber bis Ende des Jahres nicht mehr benötigt werden. Darüber hinaus wird die Koalition keine weiteren Kredite aufnehmen“, erklärte Otto Fricke, finanzpolitischer Sprecher der FDP.

Für die FDP, deren Chef Christian Lindner das Finanzministerium leitet, kommt der Großteil der Investitionen nicht aus der öffentlichen Hand, sondern aus der Privatwirtschaft – was auch im Koalitionsvertrag ausdrücklich festgehalten wird.

„Der Staat ist vielerorts ein notwendiger Investor für Infrastruktur, aber es ist unabdingbar, private Investitionen zu fördern“, sagte Fricke der FDP.

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Unter einem liberal geführten Finanzministerium wird Deutschland eine harte Linie in der EU-Finanzpolitik verfolgen und Forderungen aus südlichen EU-Ländern nach Lockerung der Haushaltsregeln ablehnen. Allerdings ist die wirtschaftsfreundliche FDP kompromissbereit. EURACTIV Deutschland berichtet.

Förderung des Privatsektors

Um private Investitionen anzuziehen, gibt es die Möglichkeit von Subventionen. Diese werden teilweise verwendet, aber nur als „Start-up-Investment“, das „befristet und möglichst degressiv“ ist, wie Fricke betonte.

Der Großteil der Investitionen muss jedoch mit Hilfe wirtschaftlicher Anreize aus der Privatwirtschaft kommen. „Hier ist die ,Super‘-Abschreibung das Mittel der Wahl“, sagt Fricke.

Vereinfacht gesagt sind diese Superabschreibungen die Möglichkeit, Investitionen in die Bereiche Digitalisierung und Nachhaltigkeit günstiger zu amortisieren, sodass private Anleger weniger Steuern zahlen müssen.

Experten stehen jedoch dem Ansatz skeptisch gegenüber, zur Finanzierung geplanter Investitionen keine zusätzliche Staatsverschuldung aufzunehmen.

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„Wenn der Staat 2022 keine zusätzlichen Kredite für die KTF aufnimmt, werden die Zahlen nicht stimmen“, sagte Krahé de Dezernat Zukunft.

Neu berechnete zyklische Komponenten

Ein weiterer Faktor, der dem Staat einen Hebel gibt, mehr auszugeben, ist die sogenannte zyklische Komponente.

Je nach Wirtschaftslage darf die Regierung ein höheres Defizit prognostizieren. Ausschlaggebend ist die Größe der Lücke zwischen tatsächlicher und potenzieller Wirtschaftsleistung. Je weiter die aktuelle Wirtschaftsleistung von ihrem Potenzial entfernt ist, desto höher kann das Defizit ausfallen.

Laut Koalitionsvertrag dürfte sich die Berechnung der möglichen Wirtschaftsleistung bald ändern.

Für Krahé ist es denkbar, dass zur Abschätzung des zukünftigen Produktionspotenzials die Zahlen nicht wie bisher einfach aus der Vergangenheit hochgerechnet, sondern mit den anderen politischen Zielen der Koalition verglichen werden.

„Wenn es beispielsweise darum geht, die Erwerbstätigkeit von Frauen zu erhöhen, könnte dies auch eine Erhöhung des Produktionspotenzials bedeuten“, erklärt Krahé.

Fricke stimmt zu, dass es bei der Berechnung der Konjunkturkomponente „ein wenig Korrekturpotenzial“ gebe, was die Schuldenbremse etwas flexibler machen würde.

„Es gibt eine Anpassung, aber es kann nicht so sein, dass wir von einem fiktiven Traum von Vollbeschäftigung aus den 1970er Jahren ausgehen“, sagte er gegenüber EURACTIV. „Es werden keine zweistelligen Milliardenbeträge sein. „

[Edited by Daniel Eck]

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