Harris-Pence TV-Debatte: "Beide wären besser als Trump"

Harris-Pence TV-Debatte: “Beide wären besser als Trump”

Das Duell zwischen den Vizepräsidentschaftskandidaten war zivilisiert. Kamala Harris und Mike Pence haben versucht, mit Argumenten zu punkten – nicht mit Volumen und Bögen, sagt Johannes Thimm.

tagesschau.de: Wie haben Sie die Debatte gestern Abend im Vergleich zur Debatte zwischen Donald Trump und Joe Biden erlebt?

Johannes Thimm: Ein Großteil der Debatte in der vergangenen Woche war das Versäumnis von Donald Trump, die vereinbarten Regeln einzuhalten. Er ließ niemanden ausreden und es gab überhaupt keine Debatte. Er schrie sich selbst an, Trump war besonders negativ.

Die Debatte letzte Nacht war konventioneller und zivilisierter. Es war insgesamt ausgeglichener. Beide Kandidaten hatten das Wort und konnten Fragen beantworten.

Zu niemandem

Johannes Thimm promovierte in Politikwissenschaft. Er forscht an der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin mit Schwerpunkt USA.

Strenge Regeln für den Prozess

tagesschau.de: Die Moderatorin Susan Page ging auf viele wichtige Themen wie Wirtschaft, Krone und nationale Sicherheit ein. Wurden die Fragen inhaltlich beantwortet?

Thimm: Einfach sehr selektiv. Susan Page erlaubte beiden Teilnehmern, Fragen nach Belieben zu beantworten. Mike Pence reagierte viel weniger auf Fragen als Kamala Harris, aber beide ließen Fragen unbeantwortet.

Insgesamt gab es keine Befragung, keine Überprüfung der Fakten durch den Moderator. Es ist daher eher ein Austausch vorbereiteter Aussagen als eine Debatte. Dies ist nicht ungewöhnlich, da die Regeln für diese Fernsehduelle von Vertretern beider Seiten im Voraus ausgehandelt werden.

“Die Wirkung von Fernsehduellen wird überschätzt”

tagesschau.de: Ist eine solche Debatte immer dann angebracht, wenn die Teilnehmer hauptsächlich vorgefertigte Erklärungen für das Beste abgeben?

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Thimm: Die Bedeutung dieser Debatten wird überschätzt. Es gibt ein historisches Beispiel, das immer wieder entdeckt wird. 1960 trafen sich John F. Kennedy und Richard Nixon. Konventionelle Weisheit ist, dass es als erste Fernsehdebatte ein entscheidender Faktor für Kennedys Wahlsieg war. Ich weiß nicht, ob eine spätere Debatte für die Wahl entscheidend war.

tagesschau.de: Sollten solche Ereignisse nicht vermieden werden?

Thimm: Für Kandidaten ist es durchaus sinnvoll, ihre Argumente und Meinungen öffentlich zu präsentieren. In einem Teil der Debatte gestern Abend war dies tatsächlich der Fall. Im Fall der Wirtschaft und des Klimawandels zum Beispiel sind die Standpunkte sehr klar geworden.

Pence drängt auf Steuersenkungen, Deregulierung und weniger Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels. Kamala Harris plädierte für eine stärkere wirtschaftliche Umverteilung, mehr Klimaschutz und mehr staatliche Regulierung. Wenn dies diskutiert wird, können sich die Wähler auch eine Meinung bilden.

“Ungefähr zehn Prozent sind noch unentschlossen”

tagesschau.de: Denken Sie, dass unentschlossene Wähler jetzt eine bessere Vorstellung davon haben, wen sie wählen sollen?

Thimm: Die Zahl der Swing-Wähler ist in den USA rückläufig. Es hat mit einer zunehmenden Polarisierung der politischen Parteien zu tun. Die meisten Wähler fühlen sich dem einen oder anderen Lager zugehörig. In einer Umfrage in der vergangenen Woche bezeichnen sich etwa zehn Prozent derjenigen, die wahrscheinlich wählen werden, als “wahrscheinliche Wähler” – als unentschlossen über die Wahl. Es ist schwierig festzustellen, wie viele von ihnen die Debatte verfolgen und gegebenenfalls überzeugt sind.

tagesschau.de: Mike Pence und Kamala Harris sind beide deutlich jünger und gesünder als Donald Trump und Joe Biden. Hat diese Debatte deshalb besondere Aufmerksamkeit erhalten?

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Thimm: Joe Biden wird bald 78 Jahre alt. Seine Gegner reden immer über seine Gesundheit. Es wurde seit einiger Zeit spekuliert, dass er nicht zwei Amtszeiten halten wird. Obwohl in der Vergangenheit häufig Kandidaten für die Vizepräsidentschaft auf der Grundlage von Wahltaktiken ausgewählt wurden, welche neuen Wählergruppen kann der Kandidat mobilisieren? – Die Vizepräsidenten werden häufig auch als Nachfolger bezeichnet.

Mehr als sonst wurde Harris auch von Biden als möglicher Nachfolger rekrutiert. In Bezug auf die Wahltaktik spielte die Tatsache, dass sie weiblich und schwarz ist, eine Rolle, insbesondere im Kontext der Bewegung „Black Lives Matter“. Als spätere Präsidentin waren ihre gemäßigten Positionen und ihre politische Erfahrung entscheidend. Donald Trump ist 74 Jahre alt und hat derzeit Covid-19. Wir können daher nicht ausschließen, dass Mike Pence das Amt des Präsidenten wieder aufnehmen muss.

Schau dir das Anwesen an

tagesschau.de: Haben sie das Zeug zur Nummer eins?

Thimm: In der Debatte haben beide sehr deutlich gemacht, dass sie es könnten. Harris bemerkte, dass sie im Senatsnachrichtenausschuss sitzt, wo sie sich mit Fragen der nationalen Sicherheit befasst. Sie erwähnte auch ihre Karriere als Generalstaatsanwältin und Generalstaatsanwältin von Kalifornien. Damit betonte sie sehr stark, dass sie Verantwortung übernehmen könne.

Mike Pence hat das nicht so oft getan, weil er es wahrscheinlich nicht viel in Frage stellt. Mit Trump als Vergleich würde ich sagen, dass beide Kandidaten aufgrund ihrer Persönlichkeit und ihres Führungsstils eher Präsident werden als der derzeitige Präsident Trump.

Das Interview führte Reinhard Baumgarten, SWR


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