Europäische Kommission beschreitet neue Wege, indem sie deutsche Autohersteller mit Geldbußen wegen ihrer Beteiligung an Kartellen zur Einschränkung der technischen Entwicklung belegt |  Wilson Sonsini Goodrich & Rosati

Europäische Kommission beschreitet neue Wege, indem sie deutsche Autohersteller mit Geldbußen wegen ihrer Beteiligung an Kartellen zur Einschränkung der technischen Entwicklung belegt | Wilson Sonsini Goodrich & Rosati

Die Europäische Kommission (EC) hat die deutschen Autohersteller BMW, Audi, Porsche und Volkswagen (die letzten drei sind alle Teil des Volkswagen-Konzerns) mit einer Geldstrafe von 875 Millionen Euro (1,05 Milliarden US-Dollar) belegt. Daimler konnte ein Bußgeld in Höhe von 727 Millionen Euro (876 Millionen US-Dollar) vermeiden, indem es erfolgreich Kronzeugen beantragte und das Verhalten des Kartells der Behörde aufdeckte. Insbesondere hat die EG den Unternehmen keine „klassischen“ Kartellpraktiken wie Preisabsprachen, Marktaufteilung oder Kundenzuteilung in Rechnung gestellt, sondern erstmals in ihrer Entscheidungspraxis „heimliche Anhörung zu technischen Entwicklungsbeschränkungen“. Dies kann weitreichende Folgen für viele Unternehmen haben, die sich in der industriellen Zusammenarbeit an innovativen Technologien engagieren.

Die Autohersteller hatten unter Federführung von Industrieverbänden eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich mit Technologien zur Beseitigung schädlicher Stickoxid-(NOx-)Emissionen aus Diesel-Pkw befasste. Die EK stellte fest, dass die Teilnehmer sich bereit erklärten, nicht zu konkurrieren, um den Verbrauchern sauberere Technologien als gesetzlich vorgeschrieben bereitzustellen. Konkret hatten die Autohersteller die standardisierten Tankgrößen und Reichweiten für AdBlue-Tanks (mit Harnstoff zur Entfernung von NOx-Emissionen) diskutiert und sich auf den durchschnittlichen AdBlue-Verbrauch geeinigt. Darüber hinaus stellte sich heraus, dass sie sensible Informationen über diese Gegenstände ausgetauscht hatten, wodurch die Unsicherheit über das zukünftige Verhalten des anderen beseitigt wurde.

Die Ergebnisse der Gespräche seien nie in die Praxis umgesetzt worden und hätten daher keinen Einfluss auf den Wettbewerb, so die Autohersteller. Dies wurde jedoch von der EG als irrelevant erachtet, die das Verhalten als einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht „bezweckt“ bezeichnete und die Notwendigkeit des Nachweises solcher Auswirkungen beseitigte (ähnlich wie bei Verstößen „per se“ nach US-Wettbewerbsrechten. Vereinbarungen).

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Das europäische Kartellrecht (Art. 101 AEUV) verbietet ausdrücklich Vereinbarungen, die „Produktion, Märkte, technische Entwicklung, oder Investitionen.“ Die Klagen von Unternehmen wegen der Zurückhaltung technischer Innovationen eröffnen jedoch neue juristische Horizonte mit potenziell weitreichenden Auswirkungen weit über die Automobilbranche hinaus. Alle Unternehmen, die an Standardisierungsbemühungen oder anderen technologischen Kooperationen mit Auswirkungen für die EU beteiligt sind, möchten möglicherweise ihre Konformitätsstandards überprüfen.

Die EG ist sich bewusst, dass sie eine Gratwanderung zwischen der Gewährleistung des Wettbewerbs und der Hemmung technischer Innovationen durch das Säen von Unsicherheit vollzieht, auch in Branchen, die ihre Umweltauswirkungen verringern wollen. Die Behörde hat daher die Veröffentlichung eines Leitfadens an die Automobilhersteller angekündigt, um die technische Zusammenarbeit im Sinne des Kartellrechts sicherzustellen. Gleichzeitig fügte Kommissar Vestager hinzu, dass die Entscheidung die Fähigkeit der Unternehmen zur gemeinsamen Lobbyarbeit nicht beeinträchtigt: „Wir dürfen Lobbyarbeit betreiben, und wir dürfen auch gemeinsam Lobbyarbeit betreiben.“1

Bemerkenswerterweise hat sich die EG auch für eine Gratwanderung bei ihrer Feinkalkulation entschieden. In einem beispiellosen Schritt gewährte die Behörde allen Kartellbeteiligten aufgrund der fehlenden vorherigen Entscheidungspraxis zur Fortsetzung eines solchen Kartellverhaltens eine Gesamtermäßigung der Geldbuße von 20 %. Dies weicht einerseits von der bisherigen Praxis der EG in „Neuheitsfällen“ ab, symbolische Geldbußen zu verhängen.2 oder gar keine Bußgelder zu verhängen,3 Schaffung einer dritten Art der „Neuheitsreduzierung“. Auf der anderen Seite gelingt es der Behörde, durch die Gewährung des Neuheitsrabatts zu Mittag zu essen und auch zu essen, obwohl sie auch argumentiert hat, dass die Rechtswidrigkeit des Verhaltens aus dem Wortlaut des Gesetzes eindeutig hervorgeht und sogar das Recht auf beanstandete Konkurrenz verletzt , also von Natur aus.

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Alle mit Geldstrafen belegten Autohersteller haben den Fall mit der EU beigelegt, können aber noch bis Mitte September gegen das Urteil bei EU-Gerichten Berufung einlegen.


[1] Zitat aus MLex Insight, laut Vestager, veröffentlicht am 8. Juli 2021, werden die Ratschläge der EU an deutsche Autohersteller zur Technologiekooperation veröffentlicht.

[2] Siehe EG-Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen, ABl. 2006, C 210/2, Rn. 36.

[3] Siehe zum Beispiel CE, Fall AT.39985 – Motorola – Enforcement of GPRS SEP, Rdnr. 561, in dem die EG aufgrund der fehlenden EU-Entscheidungspraxis und der unterschiedlichen Verwaltung der öffentlichen Arbeitsverwaltungen durch die nationalen Gerichte keine Geldbuße verhängte.

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