Corona: Italien schließt alle Diskotheken und verhängt eine Maskenpflicht im Freien nach 18 Uhr

Corona: Italien schließt alle Diskotheken und verhängt eine Maskenpflicht im Freien nach 18 Uhr

Flavio Briatore hat gerade genug von der italienischen Politik. „Ciao ragazzi“, sagte der ehemalige Formel-1-Manager mit der blau getönten Brille in einem Instagramvideo zu seinen mehr als 800.000 Fans: „Ich bin zurück in Monte-Carlo.“ Endlich in Monaco. Weit weg von den nervigen Gesundheitsministern und Bürgermeistern seiner Heimat, die sich mehr um eine zweite Corona-Welle sorgen – und weniger Verständnis haben für die Geschäfte von Diskothekenbetreibern wie ihm.

Vor seiner Abreise aus Sardinien hat Briatore noch schnell das „Billionaire“ geschlossen, seinen legendären Nachtklub an der Costa Smeralda, berüchtigt für Magnumflaschen Champagner und Trophy-Girls. Erst hatte die Regierung in Rom mit einem „Anti-Tanz-Dekret“ landesweit alle Tanzflächen gesperrt. Und dann legte auch noch der lokale Bürgermeister im sardischen Arzachena nach, wo sich Briatores Klub befindet: Er verhängte ein generelles Musikverbot in seiner Gemeinde, nicht mal abseits der geräumten Tanzfläche lässt sich zu ruhigen Klängen chillen.

Normalerweise feiern um diese Jahreszeit Show- und Fußballstars im „Billionaire“. Mittendrin posiert Flavio Briatore, früher mit Heidi Klum zusammen und inzwischen auch schon 70 Jahre alt, gern von Models umringt für die Fotografen.

Aber in dieser merkwürdigen Saison 2020? Wie ein Wutrentner postet Flavio Briatore seine Videos aus Monte-Carlo. Mal im Bademantel, mal mit Baseballkappe, im Hintergrund silbergerahmte Fotos aus seiner Vergangenheit. Keine Musik? „Ich kapiere das nicht“, sagt Briatore. Der Bürgermeister von Arzachena sei italienweit der einzige, der das Dekret der Regierung noch einmal verschärft habe. „Er richtet nur Schaden an.“ Dabei sei die Lage an der Costa Smeralda im nationalen Vergleich nicht kritisch. „Ich verstehe nicht, wie der Bürgermeister Dezibel mit dem Virus in Verbindung bringen kann.“

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Italien erlebt gerade einen heißen Sommer, der Streit zwischen Briatore und dem Bürgermeister ist symptomatisch für die Stimmung im Land. Seit Anfang dieser Woche sind von Sardinien bis zur Adria alle Diskotheken wieder geschlossen, ebenso alle Klubs in den Badeorten mit Dancefloor unter freiem Himmel. Und von 18 bis 6 Uhr früh gilt nun auch draußen überall eine Maskenpflicht, wo sich Menschengruppen bilden können – also vor allem vor Bars an den Strandpromenaden oder Cafés in den Innenstädten.

Auf Ibiza blieben alle Klubs geschlossen – in Italien machten sie der Reihe nach wieder auf

Es ist das Ende eines bemerkenswerten Experiments. Während auf Ibiza das „Pacha“, das „Amnesia“ und alle anderen großen Klubs für die gesamte Saison geschlossen bleiben, machten Diskotheken in Italien der Reihe nach wieder auf. Abstandsregeln, Maskenpflicht und reduzierte Gästezahlen sollten für die nötige Sicherheit sorgen.

Nach einem besonders langen und strengen Lockdown, so die allgemeine Stimmung, hatte man sich wenigstens für die Sommerferien ein bisschen Freiheit verdient. Und die Zahlen sprachen dafür: Die harten Kontaktverbote trieben die Infiziertenquote erfolgreich nach unten. Inzwischen steigen die Zahlen wieder – wenn auch deutlich weniger dramatisch als in Frankreich oder Spanien.

Marco Tiraferri betreibt das „Peter Pan“ und die „Villa delle Rose“, zwei Klubs in Riccione bei Rimini. Der Sommer werde ein teures Risiko, sagte er bereits Anfang Juni. Aber er habe keine Wahl, er könne nicht einfach ein Jahr lang schließen. „Sonst ist der Glamour meiner Marke verschwunden.“

Doch Anfang August geriet die Lage offenkundig außer Kontrolle. Zu viele Gäste im Klub, die sich zudem nicht um Abstandsregeln scherten und keine Masken trugen – so stellten es die Carabinieri fest. Die „Villa delle Rose“ musste für fünf Tage schließen. Aber dann kehrten die DJs schon wieder ans Pult zurück.

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Je tiefer Italien in den Sommerferien versank und je eindrucksvoller die Infiziertenzahlen zunächst noch fielen, desto wilder wurden offenkundig landesweit die Partys. Der Gipfel war am vergangenen Wochenende erreicht, als Italien den Ferragosto feierte, den Höhepunkt der Ferien und der sommerlichen Klubsaison. Hunderte, teilweise Tausende von Gästen tanzten dicht gedrängt in den berühmtesten Diskotheken des Landes, vom „Praja“ in Gallipoli bis zum „Nirvana“ bei Trapani, angeheizt von den populärsten DJs Italiens. Fotos und Videos von überfüllten Tanzflächen sorgten landesweit für Entsetzen, schließlich sitzt der Corona-Schock nach mehr als 35.000 Toten immer noch tief.

Viele Italiener verstehen nicht, warum das „Anti-Tanz-Dekret“ erst Anfang dieser Woche, nach dem erwartbaren Party-Höhepunkt vom Ferragosto, in Kraft trat. Klubbetreiber und Politiker liefern sich heiße Wortgefechte; angesichts einer möglichen zweiten Corona-Welle hat das Blame-Game bereits begonnen. „Wir haben die Wiedereröffnung der Diskotheken nicht erlaubt“, sagt Ministerpräsident Giuseppe Conte, es sei eine Initiative der italienischen Regionen gewesen.

„Diskotheken und Gäste werden zu Sündenböcken gemacht“

Auch die Klubbetreiber wollen von möglichen Fehlern nichts wissen. „Diskotheken und ihre Gäste werden zu Sündenböcken gemacht“, erklärt der Branchenverband Silb. „Aus keiner Diskothek wurden Ansteckungen gemeldet“, behauptet der Chef des „Praja“ in Gallipoli. Für seine Branche steht viel auf dem Spiel – sie produziere, laut Verbandsangaben, mit 100.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 1,25 Milliarden Euro etwa zwei Prozent der italienischen Wirtschaftsleistung.

Und was ist mit Flavio Briatore und seinem Klub „Billionaire“ auf Sardinien? „Ich dachte zuerst, es ist eine Parodie“, sagt Bürgermeister Roberto Ragnedda über die Instagramvideos des Ex-Formel-1-Managers. „Aber er war es wirklich.“ Der Bürgermeister will sich von Briatore nicht aus der Ruhe bringen lassen. „Wir müssen wachsam bleiben und die Gesundheit von allen schützen“, sagte der Politiker auf Facebook und wandte sich dann direkt an Briatore: „Vor allem von Alten wie Ihnen.“

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